Aktiv & Vital KW 20/24
Fortsetzung
Seine ärgsten Taten aber vollbrachte der schlimme Tunichtgut, indem er Knaben raubte, die er erst gegen hohes Lösegeld wieder freigab. So raubte er im Frühjahr 1801 den 14jährigen Johann Krehbiel vom Pfrimmerhof, den sein Vater frühmorgens zum Eisenhammer bei Neuhemsbach geschickt hatte, um Geld das er schuldig war, dorthin zu bringen. Vater, Bruder und Knechte suchten nach ihm bis in die Nacht, doch er blieb verschwunden. Am nächsten Morgen fanden sie beim Hof einen Brief des Räubers, in dem dieser vom Vater des kleinen Johannes 50 Karolin in Silber und 200 Karolin in Gold für die Freilassung des Jungen forderte – ein Vermögen, das der Bauer nie und nimmer aufbringen konnte.
Abgeliefert werden sollte das Lösegeld dort „wo der Weg von der hohen Straß abgehet nach Stauf“. Der Brief war gerichtet an „Bürger Jost Krehbiel auf dem Pfrimmerhof“. Der Junge musste darunter schreiben: „Lieber Vater und Mutter, wenn das Schreiben nicht befolgt wird, so sag ich Euch allen gut Nacht. Ich hoffe aber, Ihr werdet mir mein unschuldig Leben kaufen. Vater schenk mir das junge Leben! Hannes Krehbiel“. Um die Angst der Eltern noch zu erhöhen, zog der Räuber mit dem Jungen bis nach Seebach bei Bad Dürkheim. Nach zwei Tagen kam er zurück, ging in die Nähe des Hofes und rief nach dem Bauern. Ein befreundeter Branntweinbrenner versuchte mit dem Räuber zu verhandeln, denn der Bauer konnte mit viel Mühe nur 10 Karolin aufbringen und bot diese dem Banditen an. Dieser gab sich schließlich damit zufrieden, verlangte aber dazu noch Brot, Käse und Branntwein. Ein Knecht, Eimann mit Namen, brachte alles in einem Bündel verschnürt, an die bezeichnete Stelle, dort wo die Wege in verschiedenen Richtungen ins Eistal führten. Dort war ein Kreis in den Boden geritzt, an einem Stock hing ein Papierfetzen. Der Räuber nahm das Bündel und verschwand im Wald. Am nächsten Morgen ließ er von dem Jungen das Essen versuchen, denn er hatte Angst vor Gift, denn ließ er ihn frei. Johannes kehrte zwar verängstigt aber unversehrt zu seinen Eltern zurück. Der Erpresser aber verbarg sich wieder im unübersichtlichen weiten Stumpfwald.
Einige Zeit darauf tauchte er in Sembach auf, verlangte in einer Straußwirtschaft zu Trinken und zu Essen und fragte nach dem Hausherrn. Als er feststellte, dass dieser nicht anwesend war, ließ er sich für den weiteren Weg zu zeigen von der Hausfrau den 11jährigen Sohn mitgeben. Diesen lockte er mit immer neuen Fragen bis sie nach Baalborn in ein Wirtshaus kamen. Noch ahnte der Räuber nicht, dass er den Sohn des Polizeichefs Schütze mitgenommen hatte. Als dieser nach Hause kam, schöpfte er sogleich Verdacht und ritt mit noch einem Mann hinterher. Der Wüstling floh in den nahen Wald, wurde aber eingefangen und ins Gefängnis nach Otterberg gebracht; von da nach Winnweiler, weil seine letzte Untat in diesem Kanton geschehen war.
Vor das Geschworenengericht der Departement-Hauptstadt Mainz gestellt, wurde der Räuber von diesem am 19. Januar 1802 zu Tode verurteilt und bald darauf enthauptet. Auf einem Bänkchen im Gerichtssaal saßen fünf Buben, die er alle ehemals geraubt hatte. Man erzählte sich von mehreren Fluchtversuchen, die aber allesamt misslangen, sein Maß war nun einmal voll.
Im Volksmund aber lebte der Räuber als „Bubendieb“ noch lange fort. Am meisten wunderte man sich, dass er keine oder nur wenige Helfershelfer gehabt hatte. Auch von dem erpressten Geld fand man nur wenig, hatte er es im Stumpfwald vergraben? Ein Versteck hat er freilich nicht verraten. Johannes Krehbiel lebte als Kaufmann in Mannheim, er starb dort mit 70 Jahren.
Quelle: „Meine Heimat“ von Georg Spieß